Zusammenfassung: | Österreich steht vor der Entscheidung, der Europäischen Union (EU) mit Wirkung von 1995 als Vollmitglied beizutreten. Verwirft das österreichische Volk in der Volksabstimmung am 12. Juni 1994 das Beitrittsgesetz, bleibt Österreich Teilnehmer am Europäischen Wirtschaftsraum. Das WIFO untersucht in den vorliegenden Beiträgen die wichtigsten Aspekte der beiden Szenarien aus der Sicht der Wirtschaft. Der EU-Beitritt bringt kurzfristig die Teilnahme an der Zollunion und damit den Wegfall der Grenzkontrollen sowie bereits eingetretener Diskriminierungen im Zusammenhang damit, weiters die Einbeziehung der Land- und Forstwirtschaft und ihrer nachgelagerten Verarbeitungsstufen in die Gemeinsame Agrarpolitik. Dies bedeutet den Schlußstein der Integration in den westeuropäischen Binnenmarkt, welche bereits vor Jahren mit einer Reihe ähnlich bedeutender Stufen (Zollabbau im Rahmen der EFTA und in der Freihandelszone mit der EG, autonome, insbesondere währungspolitische Anpassungsschritte, EWR-Teilnahme) eingeleitet und aufgebaut wurde. Die kurzfristig zu erwartenden wirtschaftlichen Integrationseffekte treten in ihrer Bedeutung gegenüber den langfristigen Erwartungen und vor allem der politischen Tragweite des Beitritts zurück. Der Beitritt zur EU bringt die Teilnahme an der Errichtung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sowie an der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Mitgliedschaft Österreichs in der EU gewährleistet, von weitergehenden politischen Überlegungen ganz abgesehen, die vollberechtigte Mitgestaltung und Mitentscheidung wichtiger wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen, welche die österreichische Wirtschaft unvermeidlich, selbst im Fall des Nichtbeitritts, beeinflussen. Von der Mitgliedschaft ist die Vermeidung allfälliger künftiger Diskriminierungen und einer möglichen "schleichenden Abkoppelung" als Nichtmitglied zu erwarten, die insbesondere für Perioden ungünstiger weltwirtschaftlicher oder europäischer Wirtschaftslage nicht auszuschließen wäre. Während die kurz- bis mittelfristigen Effekte der jetzt zu vollziehenden wirtschaftlichen Integration und Anpassung komparativ-statisch einigermaßen abschätzbar erscheinen, sind die langfristigen dynamischen Effekte kaum in der Größenordnung, wohl aber qualitativ – in der Richtung ihrer Wirkung auf die Wirtschaft – zu beurteilen. Das gleiche gilt für die Konsequenzen der Integration in die politischen Entscheidungsprozesse der EU für die Wirtschaft. Sowohl die Durchrechnung der quantifizierbaren Beitrittseffekte als auch die qualitative Beurteilung der Rahmenbedingungen als EU-Mitglied im Vergleich zum Szenario der bloßen EWR-Teilnahme sprechen eindeutig für den Beitritt. Kurzfristig bringt die Mitgliedschaft in der EU auch Belastungen für die österreichische Wirtschaft; sie schlagen sich sowohl in vorübergehend erhöhten Aufwendungen der öffentlichen Haushalte als auch in Veränderungen der Produktionsstruktur nieder, die nicht ohne Anpassungkosten in bezug auf Beschäftigung und Kapital vollzogen werden können. Allerdings ist als Folge der verbesserten Standortqualität Österreichs bereits kurzfristig mit erhöhten Investitionen aus dem In- und Ausland zu rechnen. Die kurz- bis mittelfristigen Kosten der Anpassung werden längerfristig von den Vorteilen aufgewogen. Sie sind daher als Investition in die wirtschaftliche Zukunft des Landes aufzufassen. Nach sorgfältiger Abwägung der Beitrittseffekte im Vergleich zum Festhalten am bisherigen Status und der erkennbaren Chancen und Risken auf längere Sicht kommen die WIFO-Untersuchungen zum Ergebnis, daß der Beitritt für die österreichische Volkswirtschaft insgesamt und für die weit überwiegende Mehrheit der Wirtschaftszweige, Berufe und gesellschaftlichen Klassen ein Vorteil und daher aus wirtschaftlicher Sicht zu empfehlen ist.
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