Zusammenfassung: | Die vorliegende Studie analysiert die Lohnentwicklung der Qualifikationen und Berufe am österreichischen Arbeitsmarkt im Zeitverlauf zwischen 2010-2021. Ausgangspunkt der Studie ist die Erstellung eines Klassifikationssystems von berufsfachlichen Qualifikationen durch die Kombination der formalen Bildungsabschlüsse mit den Fachrichtungen dieser Abschlüsse (ISCED Bildungs- und Ausbildungsfelder). Auf Basis von Register- und Administrativdaten ist es möglich, eine detaillierte Klassifikation bestehend aus spezifischen Qualifikationen (z.B. Lehrabschluss in Maschinenbau und Metallverarbeitung oder Universitätsabschluss in Humanmedizin) zu erstellen. Insgesamt werden 58 verschiedene berufliche Qualifikationen unterschieden, die im Hinblick auf die Entwicklung ihres Angebots und ihrer Nachfrage am Arbeitsmarkt im Zeitverlauf analysiert werden.
Im ersten Modul wird die Entwicklung des Angebots dieser Qualifikationen gegliedert nach Arbeitsmarktbezirken, Geschlecht, Altersgruppen, Herkunft und Aktivität bzw. Inaktivität am Arbeitsmarkt analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass innerhalb des Untersuchungszeitraumes das formale Bildungsniveau der Erwerbsbevölkerung insgesamt zugenommen hat. Während vor allem das Arbeitsmarktangebot an Personen mit Hochschul-, BHS- und AHS-Abschluss gestiegen ist, ist die Anzahl an Personen mit maximal Pflichtschul-, Lehr- und BMS-Abschluss gesunken bzw. unverändert geblieben. Besonders hoch war der Anstieg auf Hochschulebene in den Bereichen Gesundheit und Sozialwesen, Sozialwissenschaften, Pädagogik und Informatik. Auch die BHS-Ausbildungen im Bereich Dienstleistungen und Baugewerbe sind im Zeitverlauf stark gewachsen. Dieses vermehrte Angebot traf allerdings nicht für alle Qualifikationen auf eine entsprechend starke Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Ein Indikator hierfür stellt die Arbeitslosenquote dar, welche etwa für Personen mit AHS-Matura und Absolvent:innen einiger Hochschulausbildungen (z.B. Geisteswissenschaften) überdurchschnittlich stark gestiegen ist. Im Gegensatz dazu deutet die, trotz des erhöhten Angebotes, rückläufige Arbeitslosenquote für Personen mit Hochschulabschluss im Bereich Informatik auf eine hohe Nachfrage am Arbeitsmarkt hin. Zurückgegangen ist das Arbeitsmarktangebot an Qualifikationen für die Lehre im Bereich Herstellung von Textilien und Kleidung sowie für die Akademie- und BMS-Ausbildung im Bereich Pädagogik. Regional betrachtet stieg das Arbeitsmarktangebot am stärksten in den Bundesländern Wien, Oberösterreich und Tirol, am schwächsten in Kärnten und im Burgenland.
Im zweiten Modul wird die (regionale) Lohnentwicklung als Indikator für die Nachfrage nach den ausgearbeiteten Qualifikationen im Zeitverlauf von 2010 bis 2021 analysiert. Dies erfolgt einerseits durch die Analyse der aggregierten Lohnsumme sowie durch die Schätzung monetärer Erträge dieser detaillierten Qualifikationen auf Basis erweiterter Modelle zu Bildungserträgen auf individueller Ebene. In der Zusammenschau verdeutlichen die Ergebnisse, dass sich die Bildungsrenditen insbesondere für Hochschulabschlüsse im Zeitverlauf von einem hohen Niveau aus leicht reduziert haben. Eine positive Lohnentwicklung konnten unselbständig Beschäftigte mit Lehrausbildung verzeichnen, was auf eine Verknappung durch das rückläufige Arbeitskräfteangebot im Zeitverlauf hindeutet. Insgesamt lassen die Ergebnisse erkennen, dass technische Fachrichtungen im Beobachtungszeitraum tendenziell ein höheres Lohnwachstum verzeichnen, während Beschäftigte mit AHS-Ausbildung und Qualifikationen im kaufmännischen Bereich im Durchschnitt eine schwächere Lohnentwicklung aufweisen. Weiters sind die Löhne für Personen mit maximal Pflichtschulabschluss von einem niedrigen Niveau aus überdurchschnittlich stark gestiegen. Das spiegelt die stärkere Erhöhung der Entlohnung von Geringverdiener:innen in den Kollektivvertragsabschlüssen wider. Das insgesamt stärkere Lohnwachstum für Frauen im Vergleich zu Männern hat im Laufe der Zeit dazu beigetragen, geschlechtsspezifische Unterschiede in der Bezahlung leicht zu reduzieren. Regional betrachtet war das Lohnwachstum in Vorarlberg, der Steiermark und Oberösterreich kräftiger als in anderen Regionen. Dieser überdurchschnittliche Anstieg des Lohneinkommens könnte auf eine erhöhte Nachfrage und dadurch bedingte Ausgleichsmechanismen des Marktes hindeuten.
Analog zu Modul 2 werden im Zuge von Modul 3 ähnliche Modelle auch auf die Berufsgruppen angewendet. Damit werden regional disaggregierte Lohnprofile dieser Berufsgruppen erstellt, die einen um wichtige Hintergrundmerkmale wie Alter und Geschlecht bereinigten Arbeitspreis einer Berufsgruppe im Zeitverlauf wiedergeben. Zu den Berufen mit den höchsten Lohneinkommen zählen die akademischen Berufe im Bereich Gesundheit (z.B. Ärzt:innen), Informationstechnologie und Ingenieurwesen sowie Führungskräfte im kaufmännischen Bereich. Am niedrigsten ist das Lohneinkommen für Hilfsarbeitskräfte sowie für Dienstleistungsberufe insbesondere im personenbezogenen Bereich (z.B. Friseur:innen, Kellner:innen oder Köch:innen). Betrachtet man die berufsgruppenspezifische Lohnentwicklung im Zeitverlauf von 2010 bis 2021 zeigt sich, dass Berufe im technisch/handwerklichen Bereich (z.B. Maschinenbediener:innen, Montageberufe, Mechaniker:innen, Elektriker:innen) insbesondere in den industriell geprägten Regionen Ober- und Niederösterreichs sowie Berufe im Gesundheitsbereich (vor allem Assistenzberufe wie Krankenpflegefachkräfte) von einem vergleichsweise hohem Lohnwachstum profitieren konnten. Weniger kräftig verlief die Lohnentwicklung für Führungskräfte, Bürokräfte mit Kundenkontakt (z.B. Schalterbedienstete oder Telefonist:innen) sowie Betriebswirt:innen.
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