Zusammenfassung: | In den letzten Jahren wurde der Bedarf an Gleichstellungspolitik ambivalent diskutiert. Zum einen wurden die positiven Entwicklungen für Frauen im Bereich der Erwerbsbeteiligung und Bildung aufgezeigt, zum anderen auf Bereiche hingewiesen, wo sich kaum Veränderungen zeigen, wie die Dominanz von Männern in Leitungsfunktionen und deren Fehlen in der Betreuungsarbeit. Darüber hinaus wurde – nicht nur in Österreich – von einem Backlash gesprochen, der sich beispielsweise in einer Abkehr von der geschlechterneutralen Sprache, in der Kürzung von Subventionen für Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen, im Rückbau von Institutionen und in Angriffen auf die Gender Studies niederschlägt. Zu diesen Phänomenen kam es trotz der Verankerung von Gender Mainstreaming im Primärrecht der Europäischen Union und auf nationaler Ebene, obwohl inzwischen zahlreiche Institutionen im Bereich Gleichstellung geschaffen und weithin Bekenntnisse zur Förderung von Vielfalt auf politischer Ebene und von Unternehmensseite erteilt werden.
Dieser Befund war der Impuls für die Konferenz „Warum noch Frauen* fördern?“, die im November 2019 gemeinsam von Geschlechterforscher*innen der Wirtschaftsuniversität Wien und der Forschungsplattform Gender & Diversität am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien organisiert wurde. Im Rahmen dieser Veranstaltung fand ein Diskurs über die Anforderungen an eine Gleichstellungspolitik in Zeiten entpolitisierender und antifeministischer Tendenzen statt. Die Beiträge im vorliegenden Band bilden diesen Diskurs ab und zeigen aus unterschiedlichen Perspektiven auf, wie Gleichstellung und Frauenförderung neu verhandelt werden könnten.
Diese Überlegungen erhalten angesichts der COVID-19-Pandemie zusätzliches Gewicht. Die damit verbundenen Konsequenzen zeigen, wie fragil gleichstellungspolitische Erfolge waren und sind. Gleichzeitig verdeutlicht sich der nach wie vor bestehende Bedarf an Gleichstellungsmaßnahmen und auch die Notwendigkeit, Gleichstellungspolitik neu auszurichten. Wir gehen davon aus, dass es gerade bei der Bekämpfung der Folgen der Pandemie notwendig sein wird, eine Gleichstellungsperspektive einzubringen, um den wieder aufbrechenden oder neu entstehenden sozialen, ökonomischen und ökologischen Ungleichheiten entgegenwirken zu können.
|