Reines Business: Moderne Arbeitsverhältnisse von Haushaltsreinigungskräften in der Gig-Economy

Der Beitrag von Laura Wiesböck, Julia Radlherr und Mai Linh Angelique Vo mit dem Titel „Reines Business. Moderne Arbeitsverhältnisse von Haushaltsreinigungskräften in der Gig-Economy“ bezieht sich auf 15 qualitative Interviews mit überwiegend informell erwerbstätigen Reinigungskräften in Wiener Priv...

Ausführliche Beschreibung

Bibliographische Detailangaben
Link(s) zu Dokument(en):IHS Publikation
Hauptverfasser: Wiesböck, Laura, Radlherr, Julia, Vo, Mai Linh Angelique
Format: Book Contribution NonPeerReviewed
Veröffentlicht: Beltz Juventa 2024
Beschreibung
Zusammenfassung:Der Beitrag von Laura Wiesböck, Julia Radlherr und Mai Linh Angelique Vo mit dem Titel „Reines Business. Moderne Arbeitsverhältnisse von Haushaltsreinigungskräften in der Gig-Economy“ bezieht sich auf 15 qualitative Interviews mit überwiegend informell erwerbstätigen Reinigungskräften in Wiener Privathaushalten. Die Befragten erhalten ihre Arbeitsaufträge über mitgliedschaftsbasierte Plattformen, die lediglich der Kontaktherstellung zwischen Servicesuchenden und -leistenden dienen. Das heißt, die dort registrierten User:innen sind selbst für die Abwicklung der Aufträge und Bezahlung zuständig. Die Plattformen übernehmen keine Arbeitgeberverantwortung und dokumentieren nicht, welche und wie viele Gigs tatsächlich zustande kommen. Im Zentrum der Analyse stehen die Arbeitserfahrungen der vielfach in osteuropäischen Staaten geborenen Reinigungskräften. Die einseitige Verlagerung der unternehmerischen Verantwortung auf die Arbeiterinnen bringt diverse Vorteile für Kund:innen als auch Plattformen, die finanziell vom steigenden Bedarf an Reinigungskräften profitieren. Besonders dienlich ist die Schaffung eines visuellen Überangebots an verfügbaren Arbeitskräften, zu denen überwiegend (vulnerable) Personen mit Migrationserfahrung zählen, die oft auf informelle Beschäftigungen angewiesen sind. Dieses sichtbare Überangebot führt zu Reservearmee-Mechanismen und einem hohen Lohn- und Leistungsdruck. Reinigungskräfte werden damit zu einer leicht und rasch ersetzbaren „Ware“. Machtungleichgewichte äußern sich darüber hinaus in asymmetrischen Informationsbedingungen. Während Kund:innen Reinigungskräfte (auch ohne eine Dienstleistung in Anspruch genommen zu haben) auf deren Profile anhand einer fünf-Sterne-Ratingskala beurteilen können und größtenteils persönliche Informationen und Profilfotos einsehen können, liegen den Arbeiter:innen zu den Personen im zu reinigenden Privathaushalt lediglich Eckdaten vor. Darüber hinaus können Haushaltskräfte Kund:innen nicht bewerten, was die befragten Arbeiterinnen insbesondere aufgrund vielfältiger Erfahrungen mit (sexuellen) Übergriffen und Ausbeutung bemängeln. Diese einseitigen Bewertungsmechanismen befördern berufliche Anforderungen, die weit über die Tätigkeit der Reinigung hinausgehen, wie die Pflege des digitalen Auftretens und das rasche Beantworten von Anfragen, um sich vor schlechten Bewertungen zu bewahren. Mit der Erwartung einer ständigen digitalen Verfügbarkeit sowie der Sichtbarkeit der Bewertungen erhöht sich der Druck auf die Haushaltsarbeiterinnnen. Die Autorinnen sehen hier zusätzlichen Forschungsbedarf und verweisen auf die – von den Befragten hervorgehobene – Notwendigkeit einer Regulierung, beispielsweise durch die Möglichkeit, auch für Serviceleistende vorab Informationen über Kund:innen zu erhalten, und sie bewerten zu können.