Nachhaltiger Konsum - Eine praxissoziologische Kritik

Nachhaltiger Konsum ist zu einem Schlagwort geworden. Nicht nur in der Politik, sondern auch in den Medien wird der Konsum verstärkt mit dem Begriff der Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht. Eingebettet ist dieser Diskurs in die umfassenderen Diskussionen, wie der weltweite Klimawandel und die dara...

Ausführliche Beschreibung

Bibliographische Detailangaben
Link(s) zu Dokument(en):IHS Publikation
1. Verfasser: Jonas, Michael
Format: Book Contribution NonPeerReviewed
Veröffentlicht: transcript 2016
Beschreibung
Zusammenfassung:Nachhaltiger Konsum ist zu einem Schlagwort geworden. Nicht nur in der Politik, sondern auch in den Medien wird der Konsum verstärkt mit dem Begriff der Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht. Eingebettet ist dieser Diskurs in die umfassenderen Diskussionen, wie der weltweite Klimawandel und die daraus resultierenden negativen Folgen abgeschwächt werden können. In diesem Kontext engagieren sich ganz unterschiedliche Akteure aus der Politik in diskursiven Praktiken, durch die die BürgerInnen dazu aufgerufen werden, nachhaltig zu konsumieren. Nachhaltiger Konsum wird als so genannter „bewusster Konsum“ gefasst, also als ein solcher, in dem BürgerInnen sich reflexiv auf ihre Rolle als individuelle KonsumentInnen beziehen und sich verantwortungsvoll im Hinblick auf den Konsum von als gut bewerteten Gütern und Dienstleistungen verhalten. Diesem Verständnis zu Folge werden die BürgerInnen als responsible citizen consumers adressiert, deren individuelles Konsumverhalten und deren individuelle Lebensstile maßgeblich zu einer nachhaltigeren Gesellschaft beitragen können. Auf der Basis einer kritischen Diskussion verdeutlicht der Beitrag, dass dieses Verständnis alle Aspekte nachhaltigen Konsums individualisiert und damit von der Notwendigkeit tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen, die im Zusammenhang mit Prozessen der Konsumtion stehen, ablenkt. Aus einer praxissoziologischen Perspektive betrachtet wird deutlich, dass es streng betrachtet nachhaltige Konsumpraktiken per se nicht gibt, sondern Konsumtion als wesentlicher Bestandteil ganz unterschiedlicher Praktiken begriffen wird, die im sozialen Raum Distinktionseffekte auslösen. Nachhaltigkeit muss darüber hinaus stets in Relation zu anderen Aspekten wie etwa Macht gesetzt und etwaige nachhaltige (wie nicht-nachhaltige) Effekte entsprechender Praktiken allenfalls unter Berücksichtigung dazugehöriger Kontexte benannt werden, die nur in einem geringen Ausmaß durch individuelles Verhalten oder in individuellen Lebensstilen enthaltenen allgemeinen Wertorientierungen beeinflusst werden. Im Gegensatz zur individualistischen Auffassung nachhaltigen Konsums kann ein praxissoziologisches Verständnis zudem auf Anrufungen an citizen consumers, dem zentralen Stellenwert bewusster Wahlakte (nachhaltigen Handelns) sowie der Inszenierung individueller Verantwortungs- und Gesinnungsethiken verzichten, ohne die Bedeutung einer reflexiven Lebensführung zu schmälern.